Strommarkt Schweiz

Höherer Stromverbrauch, tiefere Produktion

Im Jahr 2021 ist der Schweizer Stromverbrauch gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Das zeigen erste Schätzungen des Bundesamts für Energie (BFE). Im gleichen Zeitraum hat die inländische Stromproduktion abgenommen. Beim direkten Vergleich mit dem Vorjahr gilt es jedoch zu beachten, dass der Verbrauch im 2020 aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie gesunken ist.

Text: Urs Bitterli

Im vergangenen Jahr ist der Schweizer Stromverbrauch gegenüber dem Vorjahr 2020 um 4,2 Prozent oder rund 2,4 Mrd. kWh gestiegen. Im gleichen Zeitraum hat die inländische Stromproduktion um 8,2 Prozent oder rund 5,7 Mrd. kWh abgenommen. Die Schätzung des Bundesamts für Energie (BFE) vom 24. März 2022 basiert auf bereits verfügbaren, provisorischen Daten und Trends aus vergangenen Entwicklungen. Sie dient nur als Richtwert. Der definitive Energieverbrauch der Schweiz für das vergangene Jahr wird Ende Juni 2022 vom Bundesamt für Energie veröffentlicht. Die Schätzung zeigt weiter, dass gegenüber dem Jahr 2020 bei allen Energieträgern eine Zunahme zu erwarten ist. Hierfür sind hauptsächlich zwei Faktoren verantwortlich: Zum einen sorgte die Aufhebung der strengen Restriktionen aufgrund der Pandemie im 2021 für einen generellen Anstieg des gesamten Energieverbrauchs, zum anderen war es die kalte Witterung im letzten Jahr, welche zu einer Zunahme des Verbrauchs der fossilen Brennstoffe (Heizöl und Gas) und der übrigen Energieträger, die zu Heizzwecken eingesetzt werden, führte.

Stromverbrauch nach 2020 nach Kategorie

Quelle: Bundesamt für Energie BFE, Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2020

Höherer Stromverbrauch

Der Schweizer Stromendverbrauch – das heisst der gesamte Landesverbrauch minus Netzverluste – lag im vergangenen Jahr gemäss der aktuellen Schätzung bei rund 58,1 Mrd. kWh. Im Jahr 2020 waren es noch 55,7 Mrd. kWh. Deutlich mehr Strom als im Vorjahr wurde in den kalten Wintermonaten Januar und November verbraucht. In den Monaten März, April und Mai 2021 sei der im Vergleich zum Vorjahr deutlich höhere Stromverbrauch durch «kompensatorische Effekte» zustande gekommen, so das BFE. 2020 befand sich die Schweiz in diesen Monaten aufgrund der Covid-19-Pandemie im Lockdown, der einen dämpfenden Effekt auf den Stromverbrauch hatte.

Entwicklungen der einzelnen Kategorien seit 2001

Quelle: Bundesamt für Energie BFE, Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2020

Weniger Inlandstromproduktion

Die inländische Stromerzeugung, die sogenannte Landeserzeugung, lag 2021 gemäss der aktuellen Schätzung bei 64,2 Mrd. kWh und somit deutlich unter dem Vorjahr. Im Jahr 2020 hatte die Stromproduktion knapp 70 Mrd. kWh erreicht. Vor allem in den Monaten September bis November haben die Kernkraftwerke und teils auch Wasserkraftwerke deutlich weniger Strom produziert als im Vorjahr. Über 60 Prozent des 2021 produzierten Stroms stammten aus Wasserkraft, davon ein Viertel aus Laufwasserkraftwerken, der Rest aus Speicherkraftwerken.

Der Strom aus Kernkraftwerken hatte einen Anteil von knapp einem Drittel und die thermischen und erneuerbaren Stromproduktionsanlagen beteiligten sich zu etwa zehn Prozent. Die Zahlen zeigen, dass die Anteile der Wasserkraft und der thermischen und erneuerbaren Erzeugung im Vergleich zu 2020 gestiegen sind. Der Anteil der Kernkraft sei infolge der mehrmonatigen Revision des Kernkraftwerks Leibstadt hingegen deutlich gesunken, so das BFE.

Wasserkraft ist die tragende Säule der Schweizer Stromversorgung

Rund 60 % des 2021 produzierten Stroms stammt aus Wasserkraft, davon ein Viertel aus Laufwasserkraftwerken, der Rest aus Speicherkraftwerken. (Bild: Axpo, Wasserkraftwerk Wildegg-Brugg)

Mehr Importe wegen tieferer Stromproduktion

Bei den Importen und Exporten von Strom ergab sich im Jahr 2021 ein Einfuhrüberschuss (physikalische Einfuhr minus physikalische Ausfuhr) von rund 2,4 Mrd. kWh. Dies gegenüber einem Ausfuhrüberschuss von rund 5,6 Mrd. kWh im Vorjahr 2020. Zurückzuführen sei dieser Umstand auf die deutlich tiefere inländische Stromerzeugung im 2021 bei einem gleichzeitig höheren Stromverbrauch der Schweiz. Wie erwähnt handelt es sich dabei jedoch um Schätzungen. Die definitiven Bilanzen will das Bundesamt für Energie in einigen Wochen bekanntgeben.

Unsichere Netzstabilität gefährdet die Importfähigkeit

Die geografische Lage im Herzen Europas macht unser Land zu einer Drehscheibe für Strom. Ein Zehntel des gesamten Stroms, der zwischen den Ländern Europas ausgetauscht wird, fliesst durch unsere Netze. Gemäss Angaben von Swissgrid hat die Schweiz 41 Verbindungspunkte zu Nachbarländern – mehr als jedes andere Land auf der Welt – und ist dadurch, insbesondere für Italien, ein wichtiges Transitland. Im Jahr 1958 wurden im aargauischen Laufenburg die Stromnetze Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz zusammengeschaltet. Mit diesem Zusammenschluss der Stromnetze wurde in Europa erstmals eine grenzübergreifende Leistungs- und Frequenzregelung eingeführt und damit die Basis für einen internationalen Verbundnetzbetrieb gelegt. Obwohl die Schweiz dieses Netz mitbegründet hat, kann sie nach dem Entscheid des Bundesrates, die Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen zu beenden, nicht mehr als gleichberechtigter Partner an den verschiedenen Marktplattformen teilnehmen. Von gewissen Handelsmärkten wird sie sogar ganz ausgeschlossen.

Die Netzstabilität hierzulande wird dadurch gefährdet und die Importfähigkeit ist grundsätzlich in Frage gestellt. Die Einbindung der Schweiz in den europäischen Strombinnenmarkt ist von hoher Wichtigkeit. Auch die Hindernisse für den zügigen Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion im Inland – vor allem für den Winter – müssen beseitigt werden, um eine ausreichende Eigenproduktion zu gewährleisten.

Um das Stromnetz stabil halten zu können, muss immer wieder auf die Wasserkraft zurückgegriffen werden. Dadurch könnten im schlimmsten Fall die Reserven Ende des Winters fehlen. Die fehlende Stromkooperation verursacht nach Aussagen von Experten gravierende Systemrisiken und wirkt sich negativ auf die Importfähigkeit und die Versorgungssicherheit aus. Zudem führt diese Situation zu Mehrkosten für die Schweizer Stromkonsumentinnen und -konsumenten. Um das steigende Risiko für die Versorgung durch nicht gesicherte Importe abzufedern, muss die erneuerbare Stromproduktion in der Schweiz dringend weiterentwickelt werden.

Stromproduktion 2020 nach Kraftwerkkategorien

Quelle: Bundesamt für Energie BFE, Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2020

Leicht steigende Strompreise

Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt mit vier Personen verbraucht im Jahr rund 4500 bis 5000 Kilowattstunden Strom. Dafür bezahlt er im laufenden Jahr 21,2 Rappen pro Kilowattstunde, also 0,7 Rp./kWh mehr als noch im 2021. Auf ein Jahr gerechnet, entspricht dies einer Stromrechnung von 954 Franken, 32 Franken mehr als letztes Jahr. Dabei macht der Netznutzungstarif rund 45 Prozent des Strompreises aus und der Energietarif ca. 35 Prozent. Die verschiedenen Abgaben machen zusammen rund 20 Prozent aus. Die Preise zwischen den Netzbetreibern variieren zum Teil nach wie vor erheblich. Die Gründe dafür sind unterschiedliche Netzkosten und Energietarife.

Der Schweizer Strommix und das Potenzial erneuerbarer Energien

Beim Anteil erneuerbarer Energie in der Stromproduktion belegt die Schweiz in Europa einen Spitzenplatz: Rund 62 Prozent der heimischen Stromproduktion stammen aus erneuerbaren Energiequellen. Dabei ist die Wasserkraft mit 58 Prozent Anteil an der Stromproduktion unsere grösste erneuerbare Energiequelle. Weitere erneuerbare Energien sind Strom aus Wind, Biomasse und Sonne, aber auch aus Abwasser und teilweise aus der Kehrichtverbrennung. Der Anteil dieser sogenannt neuen erneuerbaren Energien am Strommix macht im 2020 rund 7,2 Prozent der Landeserzeugung aus. Den grössten Beitrag davon leisten Photovoltaikanlagen.

Der aktuelle Schweizer Strommix weist aus ökologischer Sicht gewichtige Vorteile auf. Mit Wasserkraft, Kernenergie und erneuerbaren Energien ist der Strommix äusserst CO₂-arm und trägt dadurch wesentlich zum Erreichen der Klimaziele bei. Langfristig jedoch werden die unerschöpflichen und umweltfreundlichen erneuerbaren Energiequellen fast die gesamte Energieversorgung sicherstellen müssen. Ihr Ausbau muss deshalb zügig vorangetrieben werden.

  • Wasserkraft ist die tragende Säule der Schweizer Stromversorgung. Dank der Topografie und dem Niederschlagsreichtum verfügt die Schweiz über die Grundlagen für diese Art der Stromerzeugung. Jedoch sind die Möglichkeiten zum Bau von Grosswasserkraftwerken an neuen Standorten unter den gegebenen Landschafts- und Gewässerschutzbestimmungen praktisch ausgeschöpft. Das langfristige Ausbaupotenzial der Grosswasserkraft wird auf 1,3–2,5 TWh geschätzt. Bei der Kleinwasserkraft geht man von 1–2 TWh aus. Die rund 1300 Schweizer Wasserkraftwerke leisten einen sehr hohen Beitrag zur Stabilisierung des Netzes, da die Produktion gut plan- und steuerbar ist.
  • Photovoltaik bietet ein sehr grosses Potenzial. Dieses wird für das Jahr 2035 zwischen 5,5 und 16  TWh geschätzt. Zur Ausschöpfung des Potenzials tragen unter anderem sinkende Erstellungskosten sowie die Erhöhung der Fördermittel bei. Die effektive Entwicklung hängt aber auch von der politischen Unterstützung, der Entwicklung der Technologie (wie zum Beispiel höhere Wirkungsgrade oder sinkende Produktionskosten) und von den Strompreisen ab. Der Ausbau bedingt zudem auch grosse Speichermöglichkeiten.
  • Biomasse ist eine extrem heterogene Energiequelle, die mit unterschiedlichen Technologien in Strom, Wärme und Treibstoff umgewandelt werden kann. Die Stromerzeugung aus Biomasse ist heute bereits sehr effizient und es sind nur noch minimale Wirkungsgradverbesserungen möglich. Das vorhandene Potenzial wird auf 1,4–2,8 TWh bis 2035 geschätzt. Der Beitrag zur sicheren Stromversorgung ist gering, da der Rohstoff in der Schweiz begrenzt verfügbar ist.
  • Windenergie wird in der Schweiz bis 2035 mit einer Leistung von 0,7–1,7 TWh pro Jahr eingeschätzt. Der Ausbau der nötigen Kapazitäten wird von den gesetzlichen Rahmenbedingungen, von der gesellschaftlichen Akzeptanz und von finanziellen Unterstützungsmassnahmen abhängen. Die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz verhindert einen substanziellen Zubau. Zudem setzt der Ausbau von Windkraftanlagen grosse Speichermöglichkeiten voraus.

Quellen: Bundesamt für Energie (BFE) – energeiaplus.com, Eidgenössische Elektrizitätskommission, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, Axpo Holding AG, Pronovo AG, Swissgrid AG, Swissnuclear 

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