Mit Photovoltaikmodulen ausgerüstete Fassaden sieht man in der Schweiz noch nicht so häufig, doch das Potenzial und der Nutzen sind gross. Im Vergleich zu Anlagen auf dem Dach sind dabei allerdings strengere Anforderungen an den Brandschutz zu beachten. Warum ist das so und was bedeutet dies für die Planung und Umsetzung?
Foto: Luca Rüedi
Der Schweizer Solarmarkt erlebte in den letzten Jahren einen Boom: Mittlerweile stammen rund 11 Prozent des in der Schweiz erzeugten Stroms von der Photovoltaik (PV). Die meisten Anlagen befinden sich auf einem Dach, doch Solarmodule lassen sich auch an Fassaden installieren. Zwar ist die Montage dort teurer als auf dem Dach, dafür ist der Stromertrag in den Wintermonaten höher: Weil die Module vertikal angebracht sind, lässt sich auch bei tiefem Sonnenstand Energie gewinnen. So kann das ganze Jahr über Strom produziert werden. Insbesondere Hochhäuser, Bürogebäude und öffentliche Bauten eignen sich für Solarfassaden, denn sie haben meist eine grosse Fassadenfläche und somit ein hohes Ertragspotenzial.
Im Gegensatz zu einer Aufdachanlage sind bei einer Fassadenanlage die Anforderungen an den Brandschutz umfassender. Der Grund: Hohe Gebäude stellen für die Brandbekämpfung eine Herausforderung dar. Feuerwehrleitern haben nur eine begrenzte Länge, weshalb ein Feuer ab einer gewissen Gebäudehöhe nicht mehr von aussen bekämpft werden kann, sondern nur noch von innen. Die Verbreitung eines Feuers über die Fassade lässt sich so aber kaum aufhalten. Darum ist es wichtig, dass sich die Flammen bei einem Brand nicht auf darüberliegende Geschosse oder andere Fassadenseiten ausbreiten können. Es gilt daher, durch die Materialwahl und technische Massnahmen eine Brandausbreitung zu verhindern. Massgebend sind die Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF).
Je nach Gebäudehöhe und Fassadentyp gelten unterschiedliche Anforderungen an den Brandschutz. Dabei werden die Bauten nach ihrer Höhe in verschiedene Kategorien eingeteilt: Gebäude geringer Höhe (bis 11 Meter), Gebäude mittlerer Höhe (11 bis 30 Meter) und Hochhäuser (30 bis 100 Meter).
Für Gebäude geringer Höhe gibt es keine erhöhten Brandschutzanforderungen. Da sich ein Brand bei zwei- bis dreigeschossigen Bauten von aussen löschen lässt, bestehen keine zusätzlichen Schutzziele (siehe Box) und PV-Anlagen an der Fassade sind ohne Nachweisverfahren bewilligungsfähig.
Mit Schutzzielen sind gesellschaftlich gewünschte Schutzinteressen gemeint, beispielsweise die Gewährleistung der Sicherheit von Personen und Tieren oder dass eine wirksame Brandbekämpfung vorgenommen werden kann. Die geltenden Schutzziele sind in der Brandschutznorm unter Artikel 8 aufgeführt.
Deutlich strenger werden die Anforderungen, wenn die Gesamthöhe mehr als 11 Meter beträgt. Hier dürfen zum Beispiel nur Materialien mit einem geringen Brandbeitrag verwendet werden und es müssen konkrete Schutzziele erfüllt werden. Baumaterialien werden grundsätzlich in verschiedene Brandverhaltensklassen eingeteilt:
«RF» = «réaction au feu»
Bei Hochhäusern ab 30 Metern dürfen nur Materialien ohne Brandbeitrag (RF1) verwendet werden. Die Krux an der Sache ist jedoch, dass Solarmodule eigentlich immer brennbare Materialien enthalten. Besteht beispielsweise die Vorder- und Rückseite der Module aus Glas, verzögert sich das Brennen der Zwischenschicht, sodass sie der Klasse RF2 zugeordnet werden. Glas-Folien-Module dagegen erreichen nur die Klasse RF3, da die Folien dieser Brandschutzklasse entsprechen.
Weil Photovoltaikmodule die erforderliche Brandverhaltensklasse nicht erreichen, muss bei Gebäuden mittlerer Höhe und Hochhäusern zwingend ein Nachweis vorgelegt werden, um die Bewilligung zu erhalten. Dieser muss aufzeigen, dass die Brandschutzanforderungen beispielsweise durch technische Massnahmen trotzdem erfüllt sind. Bei Bedarf werden zudem objektspezifische Brandversuche verlangt. Diese sind jedoch kosten- und planungsintensiv.
Um die Planung und den Bau von Anlagen zu vereinfachen, hat der Branchenverband Swissolar in Zusammenarbeit mit Fachleuten 2023 ein Übergangsdokument für die Planung und den Brandschutznachweis von PV-Fassaden erstellt. Es zeigt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen und welches Nachweisverfahren für den Brandschutz notwendig ist, um eine bewilligungsfähige Solarfassade zu planen. Auf Ende 2026 ist dann die Veröffentlichung eines «Stand-der-Technik-Papiers» geplant. Es soll den Brandschutznachweis erleichtern, indem es erprobte Systeme aufzeigt, die kein separates Prüfverfahren benötigen. Bis dahin ist das Übergangsdokument gültig.
Ein Beispiel aus Zürich zeigt, wie ein Nachweisverfahren mit einem Brandversuch funktioniert. Die Energieversorgerin Energie 360° modernisierte 2023 ihren Hauptsitz und plante die Integration einer PV-Fassade. Etwa zeitgleich änderte die Gebäudeversicherung Kanton Zürich ihre Bewilligungspraxis für PV-Fassaden bei Gebäuden mit einer Gesamthöhe von mehr als 11 Metern. Dies hatte zur Folge, dass Energie 360° als erstes betroffenes Unternehmen nun zwingend einen Nachweis erbringen musste, dass sich ein Brand nicht über die PV-Fassade ausbreiten kann. Dafür war ein Brandversuch nötig, den das Unternehmen zusammen mit dem Amt für Hochbauten und weiteren Fachleuten durchführte. Da es jedoch bisher in der Schweiz noch keine geeignete Prüfanlage gibt, musste auf eine Prüfanstalt in Leipzig ausgewichen werden.
Foto: Energie 360°
Der erste Testversuch – ohne spezielle Brandschutzmassnahmen – missglückte, da sich das Feuer rasch vertikal auf die gesamte Fassade ausweitete. Im zweiten Anlauf wurden Stahlbleche als horizontale Brandriegel zwischen den Modulen eingebaut. Dies zeigte die gewünschte Wirkung: Sie verhinderten, dass sich das Feuer auf die darüberliegenden Module ausbreitete. Damit wurden die brandschutztechnischen Anforderungen erfüllt. Es war sichergestellt, dass die Ausbreitung des Feuers auf darüberliegende Geschosse verhindert werden kann und die Bewilligung wurde erteilt.